EMFV-Novelle 2024: Auditfeste Umsetzung in Chemie, Pharma, Raffinerien, Chemparks und Ex-Bereichen
Die Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder (EMFV) setzt die europäische Richtlinie 2013/35/EU in deutsches Recht um und wird 2024 aktualisiert bzw. präzisiert. Für Industrieunternehmen – insbesondere in Chemie und Pharma, Chemparks und Raffinerien sowie für Betreiber explosionsgefährdeter Bereiche – wird damit noch klarer geregelt, wie Gefährdungen zu beurteilen, zu dokumentieren und organisatorisch zu beherrschen sind. Inhaltlich stehen drei Aspekte im Vordergrund:
Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation: Die Novelle betont die systematische, anlagenspezifische Bewertung von EMF-Expositionen über alle relevanten Frequenzbereiche (Niederfrequenz bis Hochfrequenz) hinweg. Es werden Klarstellungen zu Screening-Verfahren, Abgrenzung von EMF-Zonen und zur Dokumentationstiefe gegeben – mit direktem Verweis auf einschlägige Normen wie DIN EN 50499.
Schutz besonders gefährdeter Personen: Der Umgang mit Beschäftigten mit aktiven oder passiven medizinischen Implantaten (z. B. Herzschrittmacher, Insulinpumpen, Hörimplantate) sowie mit Personen, für die eine besondere Vorsicht angezeigt ist, wird weiter konkretisiert. Hierzu gehören Zutrittsregelungen, Kennzeichnung und individuelle Unterweisungen.
Koordination im Mehrunternehmerbetrieb: Für Chemparks, Großanlagen und Baustellen wird die Zusammenarbeit zwischen Betreiber, Instandhaltung und Fremdfirmen stärker in die Pflicht genommen: Zuständigkeiten, Freigaben, Unterweisungen und Zonenkonzepte müssen verbindlich abgestimmt sein.
Wichtig: Es geht nicht darum, den Produktionsalltag zu erschweren, sondern ihn rechtssicher und planbar zu gestalten. Wer die Gefährdungsbeurteilung nach dem Stand der Technik aufsetzt und laufend fortschreibt, gewinnt Rechtssicherheit, minimiert Betriebsstörungen und schützt zugleich sensible Beschäftigtengruppen – ohne unnötige Stillstände.
Relevanz für Chemie, Pharma, Raffinerien und Ex-Bereiche
In Ihrer Branche treffen EMF-Quellen mit hoher Leistungsdichte auf komplexe Anlagen- und Arbeitsumgebungen. Typische Szenarien sind:
Niederfrequente Felder (50 Hz) rund um Starkstromschienen, Transformatoren, Großmotoren und Wärmeerzeuger.
Hochfrequente Felder bei Induktionserwärmung/-härten, HF-Siegeln, Trocknungs- oder Plasmaverfahren, Radar-/Kommunikationssystemen und in Teilen der Prozessanalytik.
Pulsende Felder und transiente Effekte im Schaltbetrieb, bei Anfahr-/Abfahrprozessen und Prüfaufbauten.
Für explosionsgefährdete Bereiche (Zone 0/1/2 bzw. 20/21/22) kommt eine zweite Dimension hinzu: EMF können – abhängig von Frequenz, Feldstärke und Kopplungsbedingungen – als Zündquelle wirken. Deshalb ist es wesentlich, EMF-Betrachtungen konsequent mit dem Explosionsschutzdokument zu verzahnen. Praktisch bedeutet das:
EMF-Zonenplanung und Ex-Zonenplanung aufeinander abstimmen; mögliche Zündquellen (EMF-Anregung, Induktionsschleifen, leitfähige Strukturen) gemeinsam bewerten.
Geeignete Maßnahmen wählen: konstruktive Reduktion von Feldstärken (z. B. Abschirmung, Leitungsführung, Abstand), sichere Erdung/Potentialausgleich, Verringerung von Schlaufenflächen, organisatorische Zutrittsgrenzen, Freigabeprozesse.
Schweiß- und Schneidarbeiten (inkl. Lichtbogen- und Widerstandsschweißen) im Hinblick auf EMF gesondert betrachten. Hier greifen die Pflichten aus DGUV Vorschrift 15, die bei hohen Schweißströmen nicht nur thermische und optische, sondern auch elektromagnetische Einwirkungen adressiert. Für Träger aktiver Implantate sind belastbare Regelungen und Abschätzungen erforderlich.
Für Chemie- und Pharmaunternehmen kommt noch die enge Bindung an GMP-/HSE-Prozesse hinzu: Jede Änderung an Anlagen, Schaltschränken oder EMSR-Verkabelung, die EMF-Emissionen beeinflusst, muss im Sinne von Management of Change (MoC) bewertet und nachvollziehbar dokumentiert werden. Wer diese Schnittstellen früh mitdenkt, verhindert Überraschungen bei Audits und Abnahmen.
Normen und Grenzwerte sicher anwenden: EMFV, DGUV Vorschrift 15, DIN EN 50499
Die EMFV definiert Expositionsgrenzwerte (ELV) und Auslösewerte (AL) über Frequenzbereiche hinweg. Für die Praxis entscheidend ist weniger das Merken einzelner Zahlen als das methodische Vorgehen:
DIN EN 50499 als Basisverfahren: Diese Norm beschreibt ein zweistufiges Vorgehen zur Bewertung der Exposition von Beschäftigten gegenüber elektromagnetischen Feldern. Schritt 1 ist ein strukturiertes Screening mittels Inventar Ihrer EMF-Quellen, typischer Mindestabstände und konservativer Annahmen. Wenn die Auslösewerte sicher unterschritten werden, genügt die Dokumentation des Screenings. Wird ein Wert erreicht/überschritten oder ist die Lage unklar, folgt Schritt 2 mit detaillierter Bewertung (Messung/Simulation).
Von der Quelle zur Maßnahme: Je nach Anwendungsfall greifen spezifische Produkt- und Anlagennormen (z. B. für Induktionsanlagen oder Funkanlagen). DIN EN 50499 verweist hier auf passende Detailnormen und Messverfahren. Ziel ist stets: Expositionsminimierung durch technische, organisatorische und – wo erforderlich – personenbezogene Maßnahmen.
DGUV Vorschrift 15 im Schweißkontext: Schweißprozesse erzeugen starke elektromagnetische Felder. Die Vorschrift verpflichtet Unternehmer zu Schutzmaßnahmen, Organisation und Unterweisung. Praktisch wirkt sie als Brücke zwischen betrieblichem Arbeitsschutz und EMF-Bewertung: Arbeitsplätze für Personen mit Implantaten sind zu prüfen, Arbeitsabstände und Kabelführung zu optimieren, und es sind geeignete Warn-/Sperrbereiche einzurichten.
Besondere Personengruppen: Bereits im Screening ist zu prüfen, ob Beschäftigte mit Implantaten, Träger von persönlichen elektronischen Geräten oder temporär besonders gefährdete Personen eingesetzt werden. Für diese Gruppen ist die EMF-Exposition besonders vorsichtig zu beurteilen; Zutritts- und Arbeitsfreigaben sind entsprechend anzupassen.
Zur Dokumentation gehört ein nachvollziehbares EMF-Kapitel in Ihrer Gefährdungsbeurteilung: Quelleninventar, Zonenkonzept, Messergebnisse (sofern erforderlich), Maßnahmenplan, Unterweisungsnachweise und Regelungen für Fremdfirmen. Damit erfüllen Sie die Nachweispflichten aus der EMFV (BGBl. I S. 3245) und den einschlägigen DGUV-Vorschriften und weisen zugleich normkonformes Vorgehen nach DIN EN 50499 nach.
Schritt-für-Schritt zur rechtskonformen Umsetzung in Ihrem Betrieb
So bringen Sie Ihre Organisation effizient und auditfest auf EMFV-Stand – mit Augenmaß für Betriebssicherheit, Produktionsplanung und Ex-Schutz:
1) Verantwortlichkeiten festlegen
Benennen Sie eine koordinierende verantwortliche Person (EHS/Arbeitssicherheit) und binden Sie frühzeitig Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt, EMSR/Elektrotechnik, Ex-Schutz-Beauftragte und Instandhaltung ein.
Legen Sie klare Schnittstellen zu Fremdfirmen fest (Chempark-typische Mehrunternehmerkoordination).
2) Anlagen- und Quelleninventar erstellen
- Erfassen Sie alle potenziellen EMF-Quellen: Transformatoren, Schaltanlagen, Frequenzumrichter, Induktions-/HF-Anlagen, Schweißarbeitsplätze, Prüffelder, Funk-/Kommunikationssysteme, temporäre Setups bei Revisionen.
- Dokumentieren Sie Betriebszustände (Anfahren, Volllast, Teillast), Abstände, Abschirmungen und Ex-Zonenbezüge.
3) Screening nach DIN EN 50499 durchführen
Nutzen Sie konservative Annahmen zu Feldstärken und Mindestabständen; bewerten Sie ortsfeste Arbeitsplätze und zeitweilige Tätigkeiten getrennt.
Identifizieren Sie EMF-Zonen, definieren/aktualisieren Sie Warnkennzeichnung und Zutrittsregelungen. Denken Sie an mobile Quellen bei Stillständen.
4) Detaillierte Bewertung planen und messen (falls erforderlich)
Erstellen Sie ein Messkonzept: Frequenzbereiche, Messgrößen (E-Feld, H-Feld, B-Feld), Betriebspunkte, Messraster, Unsicherheiten.
Führen Sie Messungen mit kalibriertem Equipment durch oder beauftragen Sie einen qualifizierten Partner. Dokumentieren Sie Messumgebung und Lastfälle so, dass Ergebnisse reproduzierbar sind.
5) Maßnahmen ableiten – Technik vor Organisation
Technisch: Abschirmungen, Kapselungen, optimierte Leitungsführung und Erdung, Reduktion von Schlaufenflächen, Abstand vergrößern, Betriebsparameter anpassen, Schaltstrategien glätten.
Organisatorisch: Zutrittsregeln, Sperrbereiche, Arbeitsfreigaben (insbesondere für Implantatträger), Zeitbegrenzungen bei kurzzeitigen Tätigkeiten, Koordination mit Ex-Schutz.
Personenbezogen: Spezifische Unterweisungen, arbeitsmedizinische Beratung, individuelle Arbeitsplatzbeurteilungen.
6) Kennzeichnen, unterweisen, kommunizieren
Bringen Sie standardisierte Warnzeichen für elektromagnetische Felder an; markieren Sie EMF-Zonen eindeutig.
Unterweisen Sie Beschäftigte und Fremdfirmen zielgruppengerecht; dokumentieren Sie die Inhalte (inkl. Verhalten bei Implantaten und in Ex-Zonen).
7) In Betriebssystematik integrieren
Verankern Sie EMF-Themen im Management of Change: Jede relevante Änderung an Schaltschrank, Antriebstechnik, EMSR-Verkabelung oder Prozessführung triggert eine EMF-Prüfung.
Verzahnen Sie EMF-Dokumentation mit Explosionsschutzdokument, Gefährdungsbeurteilungen und Instandhaltungsplänen (DGUV Vorschrift 3-Prüfzyklen bleiben davon unberührt, können aber organisatorisch gekoppelt werden).
8) Regelmäßig prüfen und fortschreiben
Legen Sie Überprüfungsintervalle fest (anlassbezogen und periodisch). Nutzen Sie Beinahe-Ereignisse, Umbauten und Auditerkenntnisse für die kontinuierliche Verbesserung.
Halten Sie Normen- und Rechtsmonitoring aktuell (EMFV, DGUV, DIN EN 50499). Schulen Sie relevante Rollen bei Änderungen nach.
Praxisempfehlung: Beginnen Sie mit einem fokussierten Pilotbereich (z. B. Schweißerei, Induktion, Hauptschaltanlage), etablieren Sie dort Methoden und Tools und skalieren Sie anschließend auf den gesamten Standort. So bleiben Aufwand, Kosten und Stillstandsrisiken im Plan – und Sie erreichen schnell belastbare Compliance.
Praxisunterstützung entlang der Niederrheinschiene – und im gesamten DACH-Raum für Schaltschrankbau
Als seit Jahrzehnten tätiger, familiengeführter Elektrotechnik-Fachbetrieb in dritter Generation unterstützen wir Industrieunternehmen – darunter zahlreiche DAX-Konzerne – bei der sicheren, effizienten und rechtskonformen Umsetzung der EMFV-Anforderungen:
Gefährdungsbeurteilung nach DIN EN 50499: Aufnahme Ihrer EMF-Quellen, Screening, Zonenkonzept, Messplanung, Dokumentation.
Messungen und Wirksamkeitsnachweise: Kalibrierte Feldmessungen, Bewertung im Mehrunternehmerbetrieb, Abnahme- und Auditvorbereitung.
Technische Maßnahmen: Optimierte Leitungsführung und Erdung, Abschirm- und Kapselungslösungen, Anpassungen an Schaltanlagen und EMSR-Installationen, Blitz- und Potentialausgleich als integrale Bausteine.
Organisation und Unterweisung: EMF-spezifische Unterweisungen, Regelungen für Implantatträger, Kennzeichnung und Zutrittskonzepte – abgestimmt auf Ex-Zonen und Chemparkvorgaben.
Integration in bestehende Prozesse: Verknüpfung mit DGUV Vorschrift 3-Prüfungen, Explosionsschutzdokument, MoC-Workflows und Betreiberpflichten.
Wir sind im Tagesgeschäft entlang der Niederrheinschiene von Bonn bis Krefeld für Sie vor Ort – ob Elektromontagen/-installationen, EMSR-Montagen oder die Umsetzung von Schutz- und Kennzeichnungskonzepten in Bestandsanlagen. Unser Schaltschrankbau steht Ihnen im gesamten deutschsprachigen Raum zur Verfügung. In der Zusammenarbeit rechnen wir flexibel nach Ihren Vorgaben ab – per klassischer Rechnungslegung oder über die von Ihnen vorgegebenen Systeme.
Wenn Sie die EMFV-Novelle 2024 pragmatisch angehen und ohne Reibungsverluste in Ihre Betriebsabläufe integrieren möchten, unterstützen wir Sie vom ersten Screening bis zur auditfesten Dokumentation – schnell, lösungsorientiert und mit Branchenerfahrung aus Chemie, Pharma, Raffinerie und Ex-Schutz.
Hinweis zu den Grundlagen: Für die rechtssichere Umsetzung sind maßgeblich die EMFV (Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder, BGBl. I S. 3245), die DGUV Vorschrift 15 (Schutzpflichten u. a. bei schweißtechnischen Verfahren) sowie das Verfahren nach DIN EN 50499 heranzuziehen.