Auditfeste Elektrotechnik im Ex-Bereich: Zonierung, IEC 61439, DGUV V3 und Blitzschutz für Chemparks und Raffinerien

Ex-Schutz und Compliance sind in der Prozessindustrie untrennbar miteinander verbunden. Bevor Elektromontagen, EMSR-Montagen oder der Schaltschrankbau beginnen, steht eine belastbare Gefährdungsbeurteilung an – sie ist die Grundlage für alle weiteren Entscheidungen.

  • Zoneneinteilung nach ATEX: Auf Basis der Wahrscheinlichkeit und Dauer des Auftretens explosionsfähiger Atmosphäre werden Bereiche in Zonen 0/1/2 (Gase, Dämpfe) bzw. 20/21/22 (Stäube) eingestuft. Diese Einstufung bestimmt die Equipment-Kategorie (z. B. II 2G) und die zulässigen Zündschutzarten.

  • Explosionsschutzdokument: Für jede Anlage ist ein aktuelles Explosionsschutzdokument mit Zonenskizzen, Zündquellenanalyse, Schutzmaßnahmen, Prüfintervallen und Verantwortlichkeiten zu führen. Ergänzend dienen betriebliche Regelwerke (z. B. Werksnormen in Chemparks) als verbindlicher Rahmen.

  • Schnittstellen zur EMSR-Planung: Bereits in der Entwurfsphase sollten Instrumentierung, Verkabelungskonzepte und die Platzierung von Verteilerkästen, Feldgeräten und Schaltschränken mit der Zonierung abgestimmt werden. Ziel: kurze Wege, minimierte Durchdringungen, klare Trennung intrinsisch sicherer Stromkreise von nicht-Ex-Bereichen.

  • Dokumentationsstrategie von Anfang an: Einheitliche Kennzeichnungssysteme (z. B. KKS/IEC 81346), eindeutige Schleifenkennzeichen und eine digitale Ablage mit Versionskontrolle sichern die Nachverfolgbarkeit – ein Schlüssel für Auditfestigkeit und effiziente Turnarounds.

Praxis-Tipp: Binden Sie Werks- und Behördenvertreter früh ein. In Chemparks entlang der Niederrheinschiene (Bonn–Krefeld) verkürzen abgestimmte Zonierungs- und Prüfstrategien die Genehmigungs- und Bauzeiten signifikant, weil spätere Umplanungen und zusätzliche Freigabeschleifen entfallen.

Auswahl der Ex-geeigneten Betriebsmittel, Kabelwege und des Potentialausgleichs

Die richtige Auswahl und Ausführung der Technik entscheidet über Sicherheit, Verfügbarkeit und Compliance.

  • Betriebsmittel und Zündschutzarten: Wählen Sie Geräte gemäß Zonenzuordnung, Temperaturklasse (T1–T6), Gas-/Staubgruppe (IIA/IIB/IIC bzw. IIIA/IIIB/IIIC) und Umgebung (Chemikalienbeständigkeit, UV, Temperatur). Bewährt in der Praxis sind:

  • Ex i (Eigensicherheit) für Mess- und Signaltechnik; galvanische Trenner in sicheren Bereichen, blaue Klemmen/Kabel zur eindeutigen Zuordnung.

  • Ex d/e für robuste Feldgeräte (Motoren, Leuchten, Klemmenkästen) mit geprüften Kabelverschraubungen und definierten Anzugsmomenten.

  • Ex p (Überdruckkapselung) für Bediengehäuse oder Schränke, wenn eine Platzierung im Ex-Bereich unvermeidbar ist.

  • Kabelwege und Trassierung: Führen Sie IS-Stromkreise separiert von Leistungsleitungen, halten Sie Mindestabstände und Abschirmkonzepte gemäß EN/IEC 60079-14 ein. Achten Sie auf:

  • Barriere- bzw. Dichtstopfen in Kabelwegen zwischen Ex- und Nicht-Ex-Bereichen, um Gaswanderung zu verhindern.

  • Chemikalienfeste Mantelmaterialien, geeignete Brandschutzklassen sowie korrosionsbeständige Tragsysteme.

  • Saubere Schirmauflage und EMV-gerechte 360°-Erdung an zertifizierten Verschraubungen; Schirmkonzepte mit der Leittechnik abstimmen.

  • Potentialausgleich und Erdung: Ein durchgängiger, korrosionsgeschützter Potentialausgleich verhindert gefährliche Ausgleichsströme und Funkenbildung.

  • Hauptpotentialausgleichsschiene (HPA) mit geprüften Verbindern; Brücken über Dehnfugen und definierte Prüfanschlüsse.

  • Einbindung aller leitfähigen Teile (Kabeltrassen, Gehäuse, Rohrleitungen, Tanks). Verbindungsmittel mit nachgewiesener Stromtragfähigkeit für Blitzteilströme.

  • Einheitliche Leitungssysteme und Kennzeichnung, damit Prüfer gemäß DGUV V3 und DIN VDE 0105-100 Messpunkte schnell identifizieren.

Best Practice: In Raffinerieprojekten minimiert der konsequente Einsatz vormontierter Ex-Klemmenkästen mit vorkonfektionierten, geprüften Verschraubungen Montagefehler und verkürzt die Zeit im Feld – ein Vorteil, der sich gerade bei Stillständen auszahlt.

Schaltschrankbau nach IEC 61439: von der Auslegung bis FAT/SAT

Schaltschränke sind das Herz der Automatisierung. Compliance, Verfügbarkeit und Wartungsfreundlichkeit lassen sich durch einen normgerechten Aufbau maßgeblich beeinflussen.

  • Konstruktion und Nachweise: Die IEC 61439 fordert Design- und Stückprüfungen unter anderem für Temperaturerhöhung, Kurzschlussfestigkeit, Schutzart, Luft- und Kriechstrecken sowie die mechanische Festigkeit. Stellen Sie sicher:

  • Auswahl geprüfter Systemkomponenten (Bauartnachweise) und Nachweisfortschreibung bei kundenspezifischen Modifikationen.

  • Sauberes Wärme- und Belüftungskonzept inklusive Verlustleistungsberechnung; bei Ex-Schnittstellen Kondensationsschutz (Heizer) und korrekte IP-Schutzarten.

  • Eindeutige Kennzeichnung aller Betriebsmittel, Klemmen und Potentiale; klare Trennung IS/NIS, farbliche Kodierung und Berührungsschutz.

  • Dokumentation: Vollständige Fertigungs- und Anlagendokumente sichern die Auditfähigkeit.

  • Stromlauf- und Klemmenpläne, Kabellisten, IO-Listen, BoM, Einstellwerte, Zertifikate (ATEX/IECEx), CE-Konformitätserklärung.

  • Prüfprotokolle gemäß IEC 61439 (Stückprüfung) und Messprotokolle (z. B. Schutzleiterwiderstände).

  • Digitale Übergabeformate und Gerätekennzeichnung via QR/Datamatrix erleichtern das Asset-Management.

  • FAT/SAT als Qualitätstor:

  • FAT (Factory Acceptance Test): Visuelle Kontrolle, Verdrahtungs- und Funktionsprüfungen, Kommunikationstests (z. B. PROFINET/Modbus), Simulation von Safety-Funktionen, Dokumentenabgleich. Ziel: Fehler vor Montage auf der Baustelle eliminieren.

  • SAT (Site Acceptance Test): Einbindung ins Feld, IO-/Loop-Checks, Erdungs- und EMV-Prüfungen, Interlock- und Not-Aus-Tests im Zusammenspiel mit angrenzenden Gewerken. Eng abgestimmt mit Freigaben und Permit-to-Work-Prozessen im Ex-Bereich.

Praxisbezug: Während der Schaltschrankbau im gesamten deutschsprachigen Raum projektiert und geliefert wird, erfolgen Montage und Inbetriebnahme entlang der Niederrheinschiene besonders effizient, weil Schnittstellen zu Chemparks und Raffinerien etabliert sind – von Zugang, Einweisung und Sicherheitsunterweisungen bis zu Werkslogistik und Baustellenkoordination.

Prüfungen und Instandhaltung: DGUV V3, DIN VDE 0105-100 und Blitz-/Erdungsschutz

Regelmäßige Prüfungen sind der Dreh- und Angelpunkt, um Anlagen sicher zu betreiben und auditfest zu halten.

  • Wiederkehrende Prüfungen nach DGUV V3 und DIN VDE 0105-100:

  • Sicht-, Erprobungs- und Messprüfungen an ortsfesten Anlagen und Betriebsmitteln; u. a. Schutzleiterwiderstände, Isolationsmessungen, RCD-Prüfungen, Funktions- und Wirksamkeitsprüfungen der Schutzmaßnahmen.

  • Prüfzyklen risikobasiert festlegen (Nutzung, Umgebung, Ausfallfolgen), die Prüfstrategie in das Explosionsschutzdokument integrieren.

  • Kennzeichnung der Prüflinge, digitalisierte Prüfbücher, klare Mangelklassifizierung und terminierte Abstellung – so wird aus Prüfung gelebte Instandhaltung.

  • Normgerechter Blitz- und Erdungsschutz nach DIN EN 62305 im Zusammenspiel mit Ex-Schutz:

  • Risikobewertung (Teil 2) zur Festlegung der Blitzschutzklasse (LPS I–IV) und der notwendigen Maßnahmen (Fangeinrichtungen, Ableitungen, Erdung).

  • Einhaltung des Trennungsabstands, um Funkenbildung in Ex-Zonen zu vermeiden; wo nötig, isolierte Blitzschutzsysteme an sensiblen Anlagenteilen (z. B. Tankdome, Fackelanlagen).

  • Konsequente Einbindung in den Potentialausgleich und abgestuftes Überspannungsschutzkonzept (Typ 1/2/3), auch für IS-Stromkreise mit entsprechend zertifizierten Bauteilen.

  • Wiederkehrende Sicht- und Messprüfungen (Erdungswiderstand, Verbindungszustand, Korrosionsschutz), insbesondere nach Umbauten und Turnarounds.

Best Practice: In Chemieparks bewährt sich eine integrierte Prüfplanung, die DGUV V3-Prüfungen mit Loop-Checks, SIL-Funktionsprüfungen und Blitzschutzinspektionen bündelt. Das reduziert Stillstandszeiten und erleichtert die Nachweisführung gegenüber Audits und Behörden.

Praxis und Best Practices: Zusammenarbeit, DAX-Onboarding und Turnaround-Tipps

Aus mehreren Jahrzehnten Projekterfahrung – familiengeführt in dritter Generation – lassen sich klare Erfolgsfaktoren ableiten, um Sicherheit, Termin und Budget zu halten.

  • Zusammenarbeit mit Betreibern und DAX-Unternehmen:

  • Onboarding: Qualifikationsnachweise (SCC/SGU), Werks- und Sicherheitseinweisungen, Personen- und Fahrzeugzulassungen sowie IT/OT-Compliance (z. B. Zugangsrechte, Netzwerkfreigaben) frühzeitig abschließen.

  • Arbeitssicherheit: Integration der 5 Sicherheitsregeln der Elektrotechnik, Lockout/Tagout, Gasfreimessungen und Hot-Work-Permits in Ablaufpläne; tägliche Toolbox-Talks und Stop-Work-Autorität etablieren.

  • Abrechnung und Steuerung: Reibungslose Einbindung in Kundensysteme – von Zeiterfassung über Leistungsscheine bis zur Rechnungslegung in gängigen Lieferantenportalen – beschleunigt Freigaben und sorgt für Transparenz.

  • Tipps für Turnarounds/Stillstände zur Minimierung von Stillstandzeiten:

  • Vorfertigung und Modularisierung: Vormontierte EMSR-Pakete (Skids, Ex-Klemmenkästen, vorkonfektionierte Kabelsätze) mit vorab dokumentierten Prüfungen (FAT) verkürzen die Feldzeit.

  • Parallelisierung und Logistik: Trassenbau, Kabelzug, Anschlussarbeiten und Prüfungen in abgestimmten Fenstern planen; Materialbereitstellung just-in-time, Ersatzteilpuffer für kritische Komponenten.

  • Prüf- und Freigabeketten: Standardisierte Checklisten für DGUV V3, Loop-Checks, Funktions- und Interlocktests; klare Go/No-Go-Kriterien und Verantwortlichkeiten.

  • Schnittstellenmanagement: Enge Abstimmung mit Mechanik, Verfahrenstechnik und Brandschutz für Durchdringungen, Dichtungen und Blitzschutz; Redlining vor Ort und unmittelbare As-built-Pflege.

  • Auditfestigkeit sicherstellen: Alle Nachweise – von ATEX-Zertifikaten über IEC-61439-Prüfprotokolle, Explosionsschutzdokumente, DGUV V3-Messberichte, Erdungsmessungen bis zu FAT/SAT-Protokollen – vollständig, revisionssicher und digital ablegen.

  • Regionale Stärke, skalierbar umgesetzt:

  • Entlang der Niederrheinschiene (Bonn–Krefeld) ermöglichen eingespielte Teams und Ortskenntnis schnelle Mobilisierung, abgestimmte Baustellenlogistik und kurze Reaktionszeiten.

  • Schaltschrankbau mit vollumfänglicher IEC-61439-Nachweisführung wird im gesamten deutschsprachigen Raum geliefert; Einbindung in Kundenspezifikationen und FAT bei Ihnen oder im Werk sind gelebte Praxis.

Fazit für Betreiber in Chemparks, Pharma, Chemie und Raffinerien: Wer die Gefährdungsbeurteilung und Zonierung als verbindliche Planungsbasis nutzt, Ex-geeignete Betriebsmittel mit sauberer Trassierung und konsequentem Potentialausgleich kombiniert, den Schaltschrankbau nach IEC 61439 mit durchdachter Dokumentation und FAT/SAT auslegt und Prüfungen nach DGUV V3/DIN VDE 0105-100 sowie Blitz-/Erdungsschutz nach DIN EN 62305 integriert, schafft ein schlüssiges, auditfestes Gesamtsystem. In der Umsetzung zahlt sich eine praxisnahe, regional verankerte Arbeitsweise aus – besonders bei Turnarounds, wenn jede Stunde zählt.

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CO2- und Kostensenkung in Industrie und Chemie: Energiemonitoring, EMSR-Lastmanagement, Schaltschrankbau und Retrofit

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Blitz- und Überspannungsschutz in explosionsgefährdeten Bereichen: Normenkonforme Planung, Umsetzung und Betrieb